Samstag, 24. August 2013

Embrunman 2013 - Finisher!

"No, je ne regrette rien." und "Rien ne va plus."

Bereuen tue ich den Start und die Vorbereitung auf das legendäre Rennen in Frankreich nicht, auch wenn nach 18 Laufkilometern nichts mehr lief...
Oder zumindest ging nicht mehr viel-denn immerhin habe ich das Ziel erreicht!
Alles was zählt: T-Shirt und Finisher Medaille

Aber 11:50 Stunden hat es gedauert. Es wäre so oder so ein langer Tag geworden (meine schlechsteste Ironman Zeit von 9:35 Stunden wäre in Embrun Streckenrekord...) und ich spekulierte mit einer Rennzeit von etwa 10:30 Stunden.
Dank einer großen Wandereinlage beim Laufen ist es aber noch länger geworden.
Irgendwann ist jeder mal dran-mein erster Wander-Marathon in 10 Jahren...
"C'est la vie!"

Es war insgesamt ein zäher Tag. Es ging von Beginn an nie richtig gut aber auch nie wirklich schlecht bis auf einmal der Ofen ganz aus war.
Schon in der Vorbereitung hatte ich ein paar Kompromisse gemacht und u.a. ein langesTrainingswochenende zugunsten des Mitteldistanzrennens in Ulm "geopfert" (in Ulm konnte ich gewinnen). Coach Peter hatte mich gewarnt, daß wir damit womöglich schon zu früh in Form sind da ich in Roth im Rahmen einer Radstaffel auch schon eine Rennbelastung hatte (ich konnte mitte Juli bei der Challenge den 180km Kurs in 4:28 Stunden fahren).
Ich wollte es aber so, auch wenn ich insgeheim wusste, daß ein Rennen wie Embrun nicht mit Kompromissen in den Top10 zu finishen ist. 
Aber daß die Herdplatte heiß ist, glaubt man ja auch erst, wenn man sie (wieder!) berührt hat...
Angestachelt durch die Erfolge in den letzten Rennen, ging ich auch mit ein wenig zu viel Selbstbewusstsein in meine erste Langdistanz seit zwei Jahren.
Schließlich wäre ab Platz sechs nicht nur ein weiteres Rennen auf der Liste abgehakt, sondern auch reichlich Beute zu machen gewesen.
Spätestens nach dem Abfahren eines Hauptteils der Radstrecke-der Schleife über den 
Col de'Izoard-wusste ich: Es gibt nichts zu bereuen. Das wird ein tolles Rennen auf einem einzigartig wunderschönen Kurs-egal wie das Ergebnis ausfallen wird!


Tal der Durace auf der Rückfahrt nach Embrun

Die Guil-Schlucht auf dem Weg zum Izoard Pass

Durance Tal bei Guillestre (Wohnort), hinten rechts die Guil-Schlucht
Leider kamen dann vor und im Rennen noch zwei Probleme hinzu aber das nimmt man nach dem Rennen auch selbst immer gerne als Ausrede her. Results-not reasons. Trotzdem:
Förderlich ist eine eingerissene Fußsohle unter dem linken Ballen, die bei jedem Schritt ein wenig mehr einreisst, nicht. Die Füße sollten VOR einem Marathonlauf schon noch in Ordnung sein. Ich ging Abends vor dem Start ins Bett und sagte meiner Frau schon, dass ich nicht genau sagen könnte, ob ich morgen laufen kann! Der Weg vom Bade- zum Schlafzimmer war recht schmerzhaft. Ich bin schon mal zuversichtlicher aufgestanden...
Mit Rennluft und dem Adrenalin lief/ging es dann doch aber durch die ständigen kleinen Ausweichbewegungen machten sich nach einigen Kilometern die Achillesehne und die Knie bemerkbar...
In der ersten Abfahrt verfing sich noch ein Stück Plastiktüte, welches über die Straße wehte,
in meinem Hinterrad und ich konnte die Reste nie ganz aus dem Umwerfer entfernen. Bei hohen Geschwindigkeiten in den folgenden Abfahrten ließ somit die Kettenspannung nach und wenn ich nicht mehr mittrat hing die Kette etwas durch und machte Anstalten, in die Speichen zu fallen. Kein gutes Gefühl zwischen den Ohren wenn man nach dem Izoard über 20km am Stück bergab fährt...
Beginn der Abfahrt vom Izoard nach Briancon-im Rennen ohne Gegenverkehr!!!
Nun gut-man muss die Karten spielen die man hat und zusammenfassend lief der Tag so
(vielleicht eine kleine Anleitung und Lockmittel für zukünftige Embrun-Starter!):

Schwimmen:
Der Start erfolgte im sechs Uhr in der Dämmerung. Mit klarer Brille ist das zu schaffen. Von tiefer Nacht wie mir im Vorfeld berichtet konnte nicht die Rede sein. Der Landstart über den Kiesstrand war mit meinem lädierten Fuß nicht einfach aber im "Einsatzfall" merkt man ja nicht so viel. Größere Prügel gab es nicht und es ging ganz gut los. Mit dem Erlebnis aus Ulm (Probleme nach dem Schwimmstart) im Kopf hielt ich mich aber auch aus dem gröbsten Gewühl hinter der Spitze heraus und verschenkte somit etwas Kontakt nach vorne. Die Gruppe in der ich mich wiederfand verschwamm sich dann an einer Boje recht heftig (ca. 50m Umweg?) und somit war der Kontakt auf die erste Gruppe ganz weg. Auf der zweiten Schwimmrunde wollte ich das vermeiden und übernahm selbst die Navigation. Das kostete etwas Kraft aber zumindest wusste ich, wo´s lang geht...
Relativ unspektakulär verließ ich als 44. das Wasser. Zwei Minuten hatte ich sicher verloren aber hier in Embrun spielt das keine entscheidende Rolle. Im Gegenteil: so wurde ich nicht dazu verleitet, von Beginn an mit zu schnellen Leuten mitzufahren. Denn Heizdüsen gibt es auf dem ersten Streckendrittel in jedem Rennen.

Rad:
Am Material hat es wirklich nicht gelegen. Stevens Bikes setzte alle Hebel in Bewegung und stellte mir zwei Wochen vor dem Rennen noch ein neues Rennrad vor die Tür:
Stevens Comet mit Shimano Di2, Rotor Q Ring Kurbeln und Citec Laufrädern < 7kg!
Ein Traumrad auf dem neusten Stand der Technik. Vor allem die elektrische Schaltung ist ein Genuss. Man denkt immer, sowas braucht man nicht bis man es dann mal selbst gefahren ist.Die Mechanik ist aber wie bei allen Rädern auch und wenn eine Plastiktüte (es war glaube ich irgendwas womit Strohballen zusamenngebunden werden...) im Freilauf hängt, hat man Probleme...die ich teilweise recht schnell beheben konnte (Stichwort Krisenmanagement) aber ein gewisser Funktionsverlust blieb.
Dennoch teilte ich mir die Strecke gut ein. Das merkte ich daran, daß alle Renner, die mich auf den ersten 60 Kilometern ein- und überholten spätestens drei Kilometer vor dem Izoard Pass in der "Casse Deserte" wieder eingeholt hatte und die Jungs auch nicht so aussahen, als würden sie mich weiter begleiten. Wer am Col d´Izoard ein Bergzeitfahren macht, wird Embrun als gebrochener Mann erreichen! Das sei allen zukünftigen Startern als Tipp gegeben. Den Fehler machte ich nicht. Als 11. war ich oben und blieb es bis Embrun auch. Ziemlich einsame aber exrem faire Tour.
"Casse Deserte" kurz unter der Passhöhe. Kein Photoshop!

Die Abfahrt war trotz der etwas vergrößerten Sicherheitsreserve aufgrund der beschriebenen technischen Probleme ein Traum. Überhaupt die gesamte Strecke konnte man trotz der Rennatmosphäre gut fahren. 25mm Conti Reifen sind ein Plus bei Sicherheit und Fahrkomfort auf südfranzösichen Straßen.
In Embrun selbst kam dann der krönende Abschluss. Zum Glück hatte ich mir den Abschnitt auch vor dem Rennen angeschaut. Wenn man die letzten 10km nicht kennt, kann es sein dass Tränen fließen!
Höhenprofil-das Beste kommt zum Schluss...

Bei vielen Ironmans gibt man sich mit 176 oder 178km Radstrecke zufrieden. Das ginge in Embrun auch ohne weiteres. Aber der Renndirektor hält seit 30 Jahren an der Tradition fest, den Teilnehmern nochmal den Hausberg zu zeigen: Fünf Kilometer rauf (ca. 300 Höhenmeter) und eine Rumpelabfahrt wieder zurück in den Ort in dem man vor gefühlten sechs Stunden losgefahren ist (was ja auch stimmt denn in Embrun sitzt man gute 1,5 Stunden länger auf dem Rad als bei anderen Langdistanz Triathlons)
Ich trug es mit Fassung und versuchte die Aussicht auf den See zu genießen. Der XTerra Weltmeister Olivier Marceau fand das nicht so schön und überließ mir im Schlussanstieg kampflos den 10. Rang (er stieg dann aus). Auf der Abfahrt überrollte ich noch Frederik Croneborg (später Platz 5) und in den Top10 startete ich auf die Laufstrecke.
Müde aber nicht hoffnungslos.

Laufen:
Es würde nicht einfach werden-das war vorher schon klar. Aber die ersten drei Kilometer um den See auf grobem Schotter ließen mich doch schnell merken, daß es heute noch etwas schwieriger wird, als sonst. Ich hatte schon extra die etwas stabileren und dickeren Mizuno Trainingsschuhe (Elexir 8) in den Wechselbeutel gelegt aber die Fußsohle machte sich immer mehr bemerkbar. Der Abstand nach vorne zu den nächsten Platzierten war mit über 15 Minuten sehr groß. Von hinten drückten starke Leute nach und mir ging es nicht gut. Ich versuchte nicht an den Fuß zu denken und vergaß zu trinken. Trank ich etwas, merkte ich wieder den Riss in der Sohle...Ende der ersten Laufrunde brach ich völlig ein. Auf der welligen Strecke (mit einem größeren Anstieg) hatte ich in den bergauf Passagen keine Kraft und konnte mich nicht über den Vorfuß abdrücken und bergab laufen konnte ich auch nicht weil die Knie nicht wollten...
Ich verlor innerhalb von zwei Kilometern bestimmt 5 Ränge und blieb dann bei einer Verpfelgungsstelle stehen. Cola, kalte Schwämme, Salzstangen, weitergehen...fünf Schritte laufen...dann wieder gehen. Das "Rennen" war vorbei. Das merkte ich recht deutlich.
Man hat auf Langstrecken immer mal Tiefpunkte aus denen man aber auch wieder rauskommt. Das hier war anders. Irgendwann kam ich bei Kilometer 30 an. 
Was machen? Rausgehen? Es gibt eine Stelle, da kommen sich Radfahrer und Läufer entgegen. Ich war schon in der zweiten Runde und begegnette Sportlern, die noch den berühmten Hausberg hoch und runterfahren mussten und dann erst mit dem laufen beginnen würden. Die fuhren auch weiter. Mit welcher Begründung sollte ich also jetzt aufhören?
Die letzten sechs Wochenenden hatte ich komplett auf dem Rad oder bei Wettkämpfen verbracht. Was sollte ich also den Kindern (vor allem der Älteste checkt das so langsam: für Triathlons muss man üben) sagen? Den ganzen Tag hatte die Familie schon an der Strecke gestanden. Soll ich jetzt hingehen und sagen "Sorry Leute-ist nicht mein Tag, lasst uns Heim fahren..." 
Also das Ding musste irgendwie zu Ende gemacht werden. Wenn nicht laufend, dann gehender Weise. Auf den letzten Kilomtern galangen mir sogar noch ein paar laufähnliche Bewegungen. Die Marathonzeit von 4,5 Stunden spricht Bände. Das reicht in Embrun aber noch für Platz 55!

Der Zieleinlauf ist in Frankreich übrigens herrlich auf das Wesentliche beschränkt: Im Ziel gibt es T-Shirt, Medaille und einen Händedruck, danach Wasser, Cola und Pommes oder Baguette. Wer will kann fünf Minuten nach dem Zieleinlauf mit seinem Rad und restlichen Krempel die Wettkampfstätte verlassen. Auschecken und das Leben geht weiter!

Letzendlich bin ich sogar fast dankbar, eine Langdistanz mal aus der 12-Stunden Perspektive ins Ziel gebracht zu haben. Für den Großteil der Sportler ist das ja eine ganz normale Zeit und die wissen das vor dem Start schon: es wird ein langer Tag.  (Meine Frau hat das mehrfach schon geschafft-Hut ab!)
Es erfordert schon ein hohes Maß an Durchhaltevermögen, solange auf den Beinen zu bleiben und sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Gründe zum Aufhören gibts genug.
Unser Sport spielt sich ja (zum Glück) nicht hauptsächlich in den Sub8/9/10 Stunden Regionen ab sondern die breite Masse sind eben "ganz normale", gesunde Menschen die gerne Sport machen. Nach vielen Jahren im Leistungs/Profisport verliert man da die Perpektive.
Auch ich bin ja seit fast zwei Jahren wieder ein "normaler" Arbeitnehmer und Familienvater.
Mein Respekt vor den "12 Stunden Finishern" war schon immer groß aber ist durch die eigene Erfahrung noch gewachsen. "Courage" sagen die Franzosen.   

Embrun: ich komme wieder - zum Pässe fahren, paddeln und angeln ;-)
Ich habe ja schon (fast) alles gemacht: Hawaii, Lanzarote, St. George  (gibt es nur noch als Mitteldistanz weil angeblich zu schwer...) Alles was auf der Langdistanz als hart und gerecht gilt. Aber Embrun toppt alles. 
Die schönsten und anspruchsvollsten Strecken die ich weltweit kenne! 
Und mein Urteil wird nicht durch ein besonders gutes Resultat beeinflusst...
Als Fazit bleibt: Wer sein Triathlon Portfolio komplett haben will, muss in Embrun in der Ergebnisliste stehen. Jedes Jahr am 15. August hat man die Möglichkeit zur Teilnahme-seit 30 Jahren.

Unserer Familie hat es sogar so gut gefallen, daß der Sommerurlaub 2014 schon so gut wie sicher ist. Das Durance/Guil Tal ist traumhaft.
Mich wird Embrun also wiedersehen-als Zuschauer!
Denn das längste Rennen war wahrscheinlich (!) auch das letzte auf der Distanz.
Mit dem Embrunman kann ich einen Haken hinter ein Rennen auf meiner "ToDo" Liste machen und Triathlon Langdistanzen stehen da jetzt kaum noch drauf...

Es gibt noch viel zu tun!

Man sieht sich an der Strecke...

 

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Super, dass du gefinisht hast. Gratulation!

Anonym hat gesagt…

Hallo!
Toller, selbstreflektierender Bericht.
Ich gehöre zu den von Dir erwähnten Breitensportler. Danke für Deinen Respekt! Ich habe 2012 die Kurzdistanz in Embrun absolviert und 2013 die lange Version in Alpe d'Huez (Tipp!)
Zeiten sind nicht der Rede wert, aber eben gefinisht. Jetzt reizt mich Embrun LD 2014. Bis dann alles Gute,
Uli G.

Anonym hat gesagt…

Sehr schöner Bericht - sowohl bez. Strecke und Ablauf als auch bez. "Feeling".
WS