Vom “Strongman” hatte ich schon einmal gehört. Dieses Rennen mit langer Tradition (2008 war die 24. Austragung) irgendwo im Süden Japans. Ein Freund aus Holland war vor Jahren mal dort und immer noch begeistert. Das tolle: die Veranstalter laden gerne Nicht-Asiaten zu diesem Rennen ein um das Feld ein wenig internationaler zu gestalten und den japanischen Topathleten gute Gegner zu bieten. In den Genuss so einer Reise war auch eine Bekannte im letzten Jahr gekommen und sie hatte mich beim Coordinator für die „Invited Athletes“ weiterempfohlen.
Also erhielt ich Ende Oktober letzten Jahres eine Mail vom Strongman Veranstalter-genau 10 Tage vor meiner Marknagel OP (Beinbruch 2006 und nach 1,5 Jahren muss das Metall wieder raus -Eingriff unter Vollnarkose und 6 Wochen Pause/Reha...). Wenn alles gut verliefe, könnte ich Ende Dezember wieder ins Training einsteigen -dann hätte ich noch knapp vier Monate Zeit für die Vorbereitung auf eine Langdistanz...
Man muss sich ja Ziele setzen und die Gelegenheit einmal nach Japan zu reisen und ein völlig neues Land mit anderer Kultur, Schrift und Sprache kennen zu lernen wollte ich nicht verstreichen lassen. Also Einladung angenommen und gleichzeitig dem Druck ausgesetzt, dort auch ansprechende Leistungen zu zeigen. Peinlich, wenn man eingeladen ist, Startgeld erhält und dann 60. wird... Also war Training angesagt für dieses lange Rennen (3k-155k-42k) so früh in der Saison.
Die Vorbereitung verlief reibungslos, der Winter verging recht schnell (auch wenn er sich Ostern-drei Wochen vor dem Rennen nochmals mit Schnee zurückmeldete) und so packte ich Mitte April die Koffer und Japan Airlines brachte mich in geschmeidigen 11 Stunden von Frankfurt nach Tokio. Mit an Bord der Österreicher Gernot Seidel und Verena Walter aus Iserlohn. In Tokio trafen wir dann noch den Rest der eingeladenen Athleten: Tim Hola und Luis de la Torres aus den USA, Bevan Leach, Nadelle und Patrick Legge aus Australien und den Orga-Chef Gary Sato -die gute Seele und unser Betreuer für die kommende Woche.
Am nächsten Tag ging es nochmals 3 Stunden mit dem Flieger Richtung Süden auf die kleine Insel Miyakojima mit ihrem durchaus tropischen Klima.
Dort gelandet teilte uns Gary mit, wir mögen doch bitte warten und als letzte aus dem Flughafen gehen -die Presse würde so besser arbeiten können... Und zu meiner Überraschung war genau das, was geschah: MTV (Miyakojima TV) und diverse Zeitungen und Radiosender fanden die Ankunft von Nicht Asiaten auf ihrer kleinen Insel durchaus erwähnenswert und wir waren reif für die Titelseite. Ein Trend, der sich in den Tagen vor und nach dem Rennen fortsetzte. Das Programm in den Tagen vor dem Renne war durchaus straff: neben dem Training und der Vorbereitung auf das Rennen standen verschiedene Termine auf der Insel an. Besuch beim Bürgermeister, Pressekonferenz, Abholen der Startunterlagen, Pastaparty, usw. Das Highlight war aber der Besuch einer Junior High School bei ca. 100 Schülern. Die hatten jede Menge Spaß am Austausch mit uns Ausländern und konnten endlich mal anwenden, was sie in den Wochen zuvor im Englischunterricht vorbereitet hatten. Das hat auch uns Sportlern am meisten gefallen. Egal wo –mit Kindern kommt man immer klar.
Die Zeit verging schnell und plötzlich ging am Sonntagmorgen um 4:30 Uhr der Wecker – ready for Rock´roll! Da uns der Veranstalter im Rennhotel untergebracht hatte waren die Wege in die perfekt organisierte Wechselzone kurz und eine stressfreie Einstellung auf das Rennen war garantiert.
Der Start in das für einen Wetsuitswim viel zu warme Wasser verlief gut und ich fand mich schnell an zweiter Stelle. Nach der ersten Wende änderte sich das jedoch schlagartig und ich fühlte mich auch in dem superflexiblem Sailfishneo nicht mehr so recht wohl. Mir war eindeutig zu warm! Ich musste leider die Spitzengruppe ziehen lassen und verlor auch den Rhythmus aber konnte den Schaden in Grenzen halten. Mit einer Minute Rückstand auf die Spitzengruppe und zwei Minuten auf den Topschwimmer ging ich erst mal unter die kalte Dusche in der Wechselzone. Dann ab auf´s Rad.
Der Bikepart verlief perfekt wie ich es geplant hatte. Verpflegung und Tempoeinteilung passten immer und ich konnte bei km 80 den sehr schnell gestarteten Australier Bevan Leach einholen und die Führung übernehmen. Daran änderte sich bis ins Radziel auch nichts mehr-75km solo in Polizeibegleitung.
Die Schwimm- und Radstrecken waren etwas kürzer als bei einem Ironmanrennen (3km, 155km) aber beim laufen nehmen es die Japaner genau: 42,195km waren nun als Wendepunktstrecke zu bewältigen. Mit ca. 4min Vorsprung rannte ich als Erster los.
Nach 5km durch die Stadt führte die Strecke nur noch geradeaus über einige Hügel bis zum Wendepunkt. Umschauen war also keine gute Idee. Trotzdem hätte ich gerne etwas über die Entwicklung meines Vorsprungs erfahren aber meine japanische Eskorte verhielt sich ruhig. Einer der Nachteile, wenn man in Führung liegt: Vorsprung lässt sich ja erst messen, wenn der 2. an gleicher Stelle vorbeigelaufen ist.
Ich lief für meine Verhältnisse gut los und hielt das Tempo recht konstant über die gesamte Strecke aufrecht aber ich wusste, das man für einen Sieg unter drei Stunden würde laufen müssen. Das Leistungsvermögen habe ich noch nicht. Also war bei km 15 die Führung weg und ich versuchte weiter mein Tempo zu laufen und mich nicht verrückt zu machen. Kurz nach dem Wendepunkt kam der spätere Sieger Hayato Kawahara mit einer 2:47h Marathonzeit an mir vorbeigeschossen und später noch mein Zimmerkollege Gernot Seidl aus Österreich, der sich immer auf seinen 3 Stunden Marathon verlassen kann.
Auch hier galt es wieder cool zu bleiben, ich fühlte mich gut und war mir auf dem letzen Drittel der Laufstrecke sicher, den Amerikaner Tim Hola auf Distanz halten zu können.
Nach 7:54 Stunden überquerte ich im Stadion von Miyako-City das Zeil, zufrieden als vierter und mit der Gewissheit auf dem Rad eine gute Show gezeigt zu haben. Meine Laufzeit von 3:10h ist für mich so früh im Jahr und sechs Monate nach der Marknagelentfernung sehr zufriedenstellend. Ich bin gesund und kann wieder mitspielen. Tempo kommt noch.
Die Siegerehrung am Tag darauf war auch wie die gesamte Veranstaltung extrem gut organisiert und kurzweilig. Für die „Afterparty“ gab es von einer Brauerei aus Okinawa eigens abgefülltes Strongman Bier...
Zwei Tage nach dem Rennen ging es via Tokio wieder Richtung Heimat. Was bleibt ist ein einmaliges Wettkampferlebnis, das kennen lernen von vielen netten Menschen und eine weitere Auslandserfahrung. Schön, wenn der Sport solche Reise möglicht macht.
Noch eine Anekdote zum Schluss: Es gibt ein Strongman-Denkmal. (Kenne kein Rennen wo es so etwas gibt!) Alle SiegerInnen der letzen 24. Austragungen sind dort auf einer Keramiktafel mit ihrem Foto verewigt. Unter anderem gibt es dort die Bilder von Lothar Leder (Sieger 1994) und Markus Forster (Sieger 2003+2004) zu bewundern. Ich habe mich beim Rennen mehrfach dabei ertappt, mein Bild auf diesem Stein wiederzuerkennen. Vielleicht war es Dehydrierung, vielleicht aber auch ein Blick ins nächste Jahr wenn es auf Miyakojima wieder heißt: „Waido, Waido!“ (Gib alles!)
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